Ein Festival der Liebe

Engelsaal

Der Hamburger Engelsaal dreht mit seiner Revue „Ein Festival der Liebe“ schwungvoll an der Uhr und bietet einen musikalischen Rundumschlag in Bezug auf das große Schlagerjahrzehnt der Siebziger. Der Zahn der Zeit hat keine Spuren am Glanz der berauschenden Dekade hinterlassen, die seither immer wieder in irgendeiner Form ein großes Dauer-Rivival feiert. Bissfest sind die markigen Werbesprüche aus dem Drei-TV-Sender-Progamm bis heute, lässig die unschlagbaren Schlaghosen und unerreicht die Plateauschuhe, mit denen man damals erst so richtig auf der Höhe der Zeit war. Wenn der Hamburger Engelsaal eine neue Show auf die Beine stellt, dann liegt ihr ein erkennbares Konzept zugrunde. Nicht nur die Bühne ist diesmal ein optischer Rausch von Farben, auch die die Kostüme kitzeln bunt in den Augen- auch ganz ohne getönte Brille. Prinzipal Karl-Heinz Wellerdiek hat sich vor diesem Hintergrund eine ausgefallene Story ausgedacht.
Der junge Schlagerschnösel Ralf-Dieter feilt an einer rasanten und schrägen Fernsehkarriere und sucht nach einem neuartigen Unterhaltungsformat. Dafür braucht er eine Partnerin und muss auf seine verflossene Beziehung zurückgreifen, mit der er zusammen die Schauspielschule besucht hat. Seine Ex-Kommilitonin Michaela ist zunächst gar nicht begeistert, als Flicken für die Beziehungslücke von Ralf-Dieter herzuhalten. Aber Ralf-Dieter hat den beschwingten Schlager als Allheilmittel für sich entdeckt und schafft es, Michaela auf singende Weise erneut zu erobern mit der Aussicht, gemeinsam mit ihr ein erfolgreiches Showkonzept zu erarbeiten. Da passt es ganz gut, dass Michaela für ein Engagement gerade den Stoff „Romeo und Julia“ einstudiert hat. Der bildet sozusagen die Grundlage für eine bunte Programmmixtur. Denn wohl kein Dramaturg kann so offen und eindeutig sein wie die altbekannten Texte aus dem Schlagermilieu. So besteht ein effektvoller Kontrast zwischen den Dialogszenen aus dem klassischen Stoff und den sehr direkten Botschaften der Schlager. Während Romeo seine Angebetete mit staksigen verbalen Schmachtfetzen betört, kommt Ralf-Dieter als Schlagersänger gleich zur Sache.
„Willst du mit mir geh’n?“ singt er ohne großes Drumherum und punktet damit bei Michaela, die insgeheim auch eine heißblütige Schlagerfreundin ist. Der Schlager ist ihre gemeinsame Sprache, und so kommen sich Ralf-Dieter und Michaela trotz aller Differenzen viel schneller näher als Romeo und Julia es auf die klassische Tour zu tun vermögen. „Feuer brennt nicht nur im Kamin“ wusste Ireen Sheer schon damals- und lag damit genau richtig. „Du bist so heiß wie ein Vulkan- und heut’ verbrenn’ ich mich daran“ stellt Ralf-Dieter fest. Und es geht immer heißer weiter. „Tanze Samba mit mir!“ verlangt Ralf-Dieter schließlich nach Vorbild Tony Holidays. Und wer kann bei soviel musikalischem Temperament schon Nein sagen? Michaela kann es jedenfalls nicht, und Ralf-Dieter reicht das schon. Dem Publikum bieten Birgit Lünsmann und Björn Schäffer in den beiden Rollen jedenfalls eine ganze Menge.
Vor allem gesanglich müssen die beiden Darsteller Großes leisten. Denn Schlager braucht für Stimmung Stimme. Birgit Lünsmann fällt einmal mehr mit ihrem klangvollen Mezzosopran auf, der raumfüllend ist. Auch ihre Mimik ist unterhaltsam. Björn Schäffer meistert als Tenor sehr gut seine solistischen Gesangsbeiträge wie zum Beispiel die deutsche Version von „Ti Amo“, die man von Howard Carpendale kennt. Als Duett gelingt vor allem „Einmal um die ganze Welt“. Dieser Titel ist bezeichnend. Denn das Bühnenduo nimmt das Publikum praktisch mit auf eine ausgiebige und unterhaltsame Reise durch die bunte Welt des Schlagers. Als musikalischer Leiter agiert Herbert Kauschka mit Schlagerbrille und Scheitelperücke am Klavier, lässt bei passender Gelegenheit auch einmal ein paar treffende Kommentare einfließen. Als Regisseur hat sich Philip Lüsebrink mit einer pointierten Inszenierung betätigt, der übrigens auch alternierend in der Rolle des Ralf-Dieter zu sehen und zu hören ist. Insgesamt ist „Ein Festival der Liebe“ eine musikalisch knallbunte Show! Musical-Zeitung.de meint: Bunter kann Schlager nicht sein!