Michael Lang

Intendant

Musical-Zeitung.de: Welchen persönlichen und welchen "beruflichen" Bezug haben Sie zum Musiktheater?

Michael Lang:
Im Musiktheater bin ich groß geworden. Einschneidend war zunächst vor 40 Jahren ein Besuch in DIE ZAUBERFLÖTE in der Hamburgischen Staatsoper, es war mein allererster Opernbesuch, mein erster Kontakt zum Genre und der Auslöser für meinen späteren Berufswunsch. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie uns Kindern den Zugang zur Opern- und Theaterwelt ermöglicht haben. Fortan bestimmte Musik mein Leben, ja sogar die Staatsoper spielte weiter eine große Rolle, denn nach dem Musikstudium wurde ich 1988 als Klarinettist im Philharmonischen Staatsorchester aufgenommen. Die nächsten sechs Jahre saß ich dann fast täglich im Orchestergraben der Staatsoper und lernte die großen Werke des Musiktheaters und der Konzertliteratur kennen. Vorwiegend Opern, gelegentlich auch Operetten oder Singspiele. Eine sehr prägende Zeit mit unvergessenen künstlerischen Erlebnissen. Übrigens feierte zu dieser Zeit auch das Musical CATS seine unglaubliche Erfolgsgeschichte in der Hansestadt. Die ganze Stadt war mit den gelben Katzenaugen vor schwarzem Hintergrund zuplakatiert. So eine flächendeckende Vermarktung hatte es in Hamburg bis dahin nicht gegeben.

Ab 1998, als ich nach einem Kulturmanagement-Studium an die Komödie Winterhuder Fährhaus berufen wurde, haben wir im Spielplan unseres Sprechtheaters auch immer wieder musikalische Akzente setzen können. Sei es bei den Hauptproduktionen, im Familientheater oder bei Konzerten im Rahmen unserer Sonderprogramme. So ist die Nähe zur Musik neben der privaten Leidenschaft auch beruflich immer erhalten geblieben.




 

Michael Lang Foto: Pressefoto Winterhuder Fährhaus

Musical-Zeitung.de: Im Winterhuder Fährhaus gab es in der Vergangenheit eindrucksvolle Musiktheaterinszenierungen wie die Christian Berg-Musicals oder der Operetten-Klassiker „Im weißen Rössl“. In "Meine Schwester und ich" stand Herbert Herrmann sogar einmal singend auf der Bühne. In wiefern sind solche Inszenierungen beispielhaft für zukünftige Projekte? Welche Reaktionen gab es vom Publikum?

Michael Lang:
Unbedingt nennen sollte man auch noch einen der größten Erfolge in der fast 25jährigen Geschichte des Theaters. 1998, zum zehnjährigen Jubiläum, zeigten wir in „Veronika, der Lenz ist da“ die Lebensgeschichte der Comedian Harmonists mit all den bekannten Musiktiteln. Unserem Ensemble wurde bescheinigt, das gleiche sängerische Niveau erreicht zu haben, wie das der großen Vorbilder. Und sie haben in der Inszenierung von Martin Woelffer eben auch fabelhafte die Geschichte nachgespielt. Die Zuschauer waren genauso begeistert, wie bei den Konzerten der Originale in den 20er/30er Jahren. Über viele Wochen waren wir bis auf den letzten Platz ausverkauft und haben die Produktion immer wieder auf den Spielplan genommen.

Im Bereich der Operette und der Singspiele hatten wir auch schöne Erfolge, Sie haben schon Beispiele genannt: Der besondere Charme von „Im weißen Rössl“ lag – neben der wunderbaren Musik – in der Fassung von Jürgen Wölffer, die mit nur sieben Darstellern und einer kleinen Combo auskam. Trotzdem hat nichts gefehlt. Allerdings hatten uns einige Zuschauer übel genommen, dass wir den 104jährigen Johannes Heesters in einem 8-Minuten-Auftritt mit der Rolle des „Kaisers“ betraut hatten. Sein Körper war gebrechlich, keine Frage in dem Alter, aber sein Tenor war immer noch kräftig und strahlend. Jeder Ton klang und saß perfekt. Ein absolutes Phänomen, wirklich ein Jahrhundertereignis dieser Jopi Heesters.

Komödie-Superstar Herbert Herrmann hat sich auch einmal auf das „fremde“ Terrain des Singspiels begeben. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin und Bühnenpartnerin Nora von Collande sowie einem feinen Ensemble zeigten sie „Meine Schwester und ich“, ebenfalls von Ralph Benatzky. Benatzky liebte diese charmanten, kompakten Singspiele. Und ich fand es sehr reizvoll, Herbert Herrmann und Nora von Collande einmal in ungewohnter Form zu erleben – was sie natürlich wie alles andere auch fabelhaft gemeistert haben. Das Publikum honoriert solche Ausflüge zwar sehr, möchte aber in der Regel beim nächsten Mal „seine“ Stars dann doch wieder in gewohnter Rolle und etablierter künstlerischer Umgebung sehen.

Mit Christian Berg arbeiten wir seit drei Jahren sehr erfolgreich zusammen, zeigen in diesem Jahr mit „SCHNEEWITTCHEN – das hitreißende Musical“ bereits seine vierte Arbeit im Bereich Familientheater bei uns. In diesem Bereich passt die Verbindung von Wort und Musik ganz wunderbar. Freche Geschichten, fetzige Musik. Genau richtig für unser Haus, und Kinder und Eltern haben gleichermaßen Spaß.

Musical-Zeitung.de: Was ist das Besondere am Winterhuder Fährhaus? Welche Rolle spielt dabei der Umstand, dass Hamburg eine Musicalmetropole ist?

Michael Lang:
Die Komödie Winterhuder Fährhaus zeigt charmantes Unterhaltungstheater, prominent besetzt mit den großen Stars der Branche, und Großstadtkomödien am Puls der Zeit. Dazu Familientheater und Sonderprogramme wie Konzerte, kleine Shows und Literaturmatineen. Das Theater KONTRASTE, ebenfalls im Winterhuder Fährhaus beheimatet, legt den Finger deutlich mehr in die Wunde und zeigt rabenschwarze, skurrile, absurde Theaterstücke, die zusätzliches Publikum an das Haus binden. Zusammen kommen wir auf über 500 Vorstellungen pro Jahr im Winterhuder Fährhaus. Und das alle mit einem kleinen, aber fabelhaftem Team. Beide Bühnen hier im Hause sind in dieser Konsequenz einmalig und unvergleichlich in Hamburg.

Dass Hamburg als Musicalmetropole bezeichnet wird, ist sicher schön für die Stadt, hat aber keinen großen Einfluss auf das Winterhuder Fährhaus. Die Schnittmengen im Publikum sind eher klein. Trotzdem ist es schön, wenn ein Musicalbesucher, der aus Stuttgart angereist kommt, noch einen Tag länger bleibt und dann auch andere Theater oder ein Museum besucht. Ich fände es also schöner, wenn Hamburg als Kulturmetropole bezeichnet würde. Das ist zwar sicher noch ein weiter Weg, aber er ist lohnenswert!

Musical-Zeitung.de: Sie haben den Spruch geprägt, Theater müsse etwas kosten. Was genau meinen Sie damit?

Michael Lang:
Geprägt habe ich diesen Spruch sicher nicht, er war auch etwas anders formuliert und in anderem Zusammenhang vorgetragen. Um es gleich vorweg zu nehmen und um nicht falsch verstanden zu werden. Es geht hier nicht um Ermäßigungen für Schüler, Studenten, Erwerbslose oder Menschen mit Handicap. Die erhalten bei uns natürlich verschiedene Vergünstigungen, genauso wie Abonnenten des Theaters. Gemeint sind die uferlosen und weit gestreuten Rabattaktionen zum Schleuderpreis, und es geht um die sich immer weiter verbreitende Schnäppchen-Mentalität, besonders im Internet. Da tummeln sich eine Reihe von Anbietern und Portale, die den Theatern Restkarten fast zum Nulltarif „abkaufen“, um sie dann über ihre Netzwerke für 5 oder 8 Euro an Schnäppchenjäger weiter zu verkaufen. Ich halte das für unseriös. Das Theater hat dann zwar eine verbesserte Zuschauerstatistik, aber auf der Einnahmenseite machen sich solche Aktionen kaum bemerkbar. Ich glaube auch nicht daran, dass man dadurch langfristig betrachtet, „neues“ Publikum gewinnt, denn diese Zuschauer werden kaum jemals normale Preise zahlen wollen, sie warten lieber auf die nächste Aktion.

Theater zu machen, kostet aber nun mal Geld. Die Kalkulation von Eintrittspreisen ist ja auch nicht „aus der Luft gegriffen“, sondern orientiert sich an den Kosten, die man einspielen muss. Und wir verderben uns selbst die Preise, wenn wir unsere Karten über permanente Rabattaktionen, die jede Kalkulation zerschießen, verschleudern. So verliert die Theaterkarte mittelfristig betrachtet ihren Wert, denn kein Mensch zahlt mehr die normalen Preise, die aber wiederum zur Finanzierung eines Qualitätsprogramms nötig sind. Und im Bereich von Musiktheaterproduktionen hat man noch deutlich höhere Kosten, als im reinen Schauspielbereich. Aber es geht auch noch um etwas anderes. Ein gutes künstlerisches Ergebnis auf der Bühne ist das Ergebnis vieler kreativer, handwerklicher und organisatorischer Prozesse, die im Theater in der großen Mehrzahl immer noch von Menschen erbracht werden. Das hat alles seinen Wert, von 5 Euro Einnahmen pro Karte kann aber niemand leben, weder die Künstler noch die Menschen hinter den Kulissen. Ich finde es ein Stück weit entwürdigend, wenn man das Ergebnis dieser besonderen „menschlichen“ Prozesse zu absoluten Dumpingpreisen auf den Markt wirft. Rockkonzerte oder der Besuch eines Spiels der Fußballbundesliga kosten in der Regel ein Vielfaches von normalen Theaterkarten. Dafür ist dann das Geld da! Und seien Sie gewiss: Am Theater wird keiner reich, in aller Regel wird hier viel weniger verdient als in anderen Branchen.



Musical-Zeitung.de: Die Christian Berg-Märchenmusicals wie das kommende Jubiläumsmusical "Schneewittchen" locken vermutlich auch besonders das junge Publikum in das Winterhuder Fährhaus. In wie fern sind Musicals Ihrer Meinung nach nicht genau das richtige Instrument, um auch jüngeres Publikum zu erreichen?

Michael Lang:
Wir bieten zahlreiche Wege, um den Zugang zum Theater als Kunstform und dem Winterhuder Fährhaus im Speziellen zu finden. Es sei aber vorweg genommen, dass es dabei nicht darum geht, nur junge Leute anzusprechen. Unsere Besucher kommen aus allen Altersschichten. Und wir versuchen auch Menschen, die viele Jahre lang nicht oder gar noch nie ins Theater gehen konnten, sei es aus beruflichen oder familiären Gründen, wieder einen Einstieg zu geben. Dazu gehört natürlich auch das Familientheaterprogramm von und mit Christian Berg. Aber es sind neben den Kindern eben oftmals auch die Eltern, bei denen man merkt, dass die noch nie bei uns im Theater waren. Wenn die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern eine gelungene Vorstellung und guten Service erleben und im besten Falle auch emotional mitgerissen werden, dann kommen die auch wieder. Meist gelingt das durch Musik noch besser als durch Text, denn Musik erreicht Herz und Seele viel schneller und direkter als das Wort. Bei ihrem Besuch werden die Zuschauer dann auch auf unsere zahlreichen anderen Angebote aufmerksam und neugierig. Ähnliches gilt für das Theater KONTRASTE im kleinen Saal: Schon viele Hamburger haben auf diesem Wege entdeckt, dass unser Theater schon lange nicht mehr in die Schublade einer konventionellen Boulevardbühne passt. Das Winterhuder Fährhaus ist vielseitig aufgestellt und bietet Unterhaltung in allen Farben und Schattierungen. Wir erzählen Geschichten aus dem wahren Leben, die die Menschen kennen und sie berühren. Wir wollen unsere Zuschauer auf unterschiedliche Weise unterhalten und zum Lachen bringen, und es darf – wie beim Clown – auch mal eine Träne im Gesicht zu sehen sein. Doch wir wollen auch Diskussionen anregen und anstoßen. Denn wenn man sich im Spiegel erkennt, hat man hinterher besonders viel zu reden…

Besonders leicht übrigens lassen sich Schwellenängste auch um Rahmen der Hamburger Theaternacht überwinden, das nächste Mal am 8. September 2012. Für wenig Geld und mit einem einzigen Ticket können die Besucher in einer Nacht die Vielfalt in Hamburgs Theatern erleben. Und kommen bestimmt eines Tages wieder, besonders wenn sie einmal hier waren und erleben konnten, dass Theater alles andere als elitär oder auch angestaubt und altbacken ist. Das Live-Erlebnis ist nach wie vor etwas ganz besonderes. Und diese Welt ist nicht nur virtuell, sondern ganz und gar echt!

Musical-Zeitung.de: Wie definieren Sie als Intendant den Begriff Theater? In wie weit haben Sie eine Wandlung des Stellenwertes des Theaters in Hamburg, aber auch in Berlin erleben können?

Michael Lang:
Theater ist Kultur. Und Kultur ist „wie wir leben“ – das Theater die ästhetische Ausdrucksform, das Medium dafür. Auf der Bühne spiegeln sich unser Leben, unsere Gesellschaft, unser Freud und unser Leid, um nur einige Stichworte zu nennen. Dafür gibt es die unterschiedlichsten Arten der Interpretation und der Ausführung, die stark von der Persönlichkeit und Individualität aller Künstler abhängt und die im Theater zu einem Kollektiv zusammengeführt werden, aber trotzdem immer einzigartig bleiben. Und die immer wieder neu entdeckt werden wollen. Kein Abend ist wie der andere. Theater soll den Menschen berühren, anstoßen und hier und da auch bedrängen. In dieser Vielfalt liegt ein besonderer Reiz. Und das Theater ist der Ort, an dem diese Energien zusammenfließen und an dem „Sender und Empfänger“ ein permanentes Wechselspiel betreiben. Das Wort „Musizieren“ beschreibt es ziemlich trefflich: Es bedeutet soviel wie „wetteifern“. Die Künstler untereinander, aber auch zwischen Bühne und Publikum. Für mich außerdem spannend ist auch das Spannungsfeld zwischen Werktreue und persönlicher Interpretation, besonders bei Klassikern, in der Musik genauso wie im Schauspiel. In diesem Spannungsfeld entstehen immer wieder ungewöhnliche Ansätze, Sichtweisen und Ausdrucksformen, man entdeckt immer wieder Neues. Das macht das Leben doch reizvoll!
Leider hat der regelmäßige Theaterbesuch, diese Neugier, die Lust auf Unentdecktes, aber auch auf Bewährtes an Stellenwert in unserer Gesellschaft verloren. In früheren Jahren war das Theater noch sehr viel stärker der Ort des öffentlichen Diskurses ebenso wie ein kommunikativer und gesellschaftlicher Mittelpunkt. Besonders der öffentliche Diskurs und die Kommunikation haben durch die moderne Informationsgesellschaft sehr starke Konkurrenz bekommen. Informationen, Meinungen, Sichtweisen, aber auch Zerstreuung und Ablenkung etc. holt man sich heute meist und vor allem sehr schnell, über die zahlreichen neuen Medien. Theater kann hier aber dagegen halten, dass live gespielt noch viel direkter, intensiver und nachhaltiger wirkt. „Nebenwirkungen“ sind hierbei sogar ausdrücklich erwünscht! Werden meines Erachtens sogar sehnsüchtig gesucht, denn Gemeinschaftserlebnisse verbinden ungemein. Im Theater ist man eben nicht nur bräsiger Konsument, sondern wird auf vielschichtige Weise gefordert, Stellung zu beziehen. Damit meine ich nicht nur ein Aufbegehren. Auch herzhaftes Lachen ist ein Statement und eine Interaktion zwischen Publikum und Künstler. Und häufig werden auf diese unterhaltsame Weise Dinge kommuniziert, die sehr wohl zum Nachdenken anregen.

Glücklicherweise haben wir in Deutschland noch eine ausgeprägte Theaterlandschaft, und sie gilt es ausdrücklich zu schützen, auch in ihrer Vielfalt und Breite. In keinem anderen Land der Welt gibt es ein so dichtes Netz von Theatern. Praktisch jeder Bürger in unserem Land kann ohne lange Wege und zu bezahlbaren Konditionen „sein“ Theater besuchen, sein Leben enorm bereichern. Im Wettbewerb mit anderen Nationen hat Deutschland hier ein klares Alleinstellungsmerkmal. In Zeiten der Globalisierung muss jedes Land seine besonderen Stärken, seine Einzigartigkeit hervorheben. Diese Stärken gilt es weiter zu entwickeln, um sich international noch stärker zu positionieren. Sicher auch als Standortfaktor im Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte. Dass Theater auch ein Wirtschaftsfaktor ist, ist ohnehin bekannt. Bei den nicht subventionierten Bühnen sowieso, keine Frage, aber auch bei den geförderten Theatern. Jeder Euro, der von staatlicher Seite in die Kultur investiert wird, kommt erhöht wieder in den Kreislauf zurück.
Das alles geht für vergleichsweise wenig Geld, wird aber hierzulande immer wieder in Frage gestellt. Gerade in den viel beschworenen Krisenzeiten sollte man sich auf seine Stärken besinnen! Ich habe auch oft festgestellt, dass selbst Bürger, die nur sehr wenig ins Theater gehen, fest an der Seite ihres Theaters stehen, es keinesfalls missen wollen und um deren Bedeutung wissen. Solange es sich jedenfalls nicht um Renommierprojekte handelt. Und noch ein letzter Punkt: Ich bin ein großer Freund davon, dass künstlerische Projekte auch möglichst vernünftig finanziert werden sollen. Die Zeiten, in denen in den Theatern das Geld mit vollen Händen ausgegeben wurde, sind sowieso längst vorbei. Jede Bühne muss scharf kalkulieren und ist, oftmals sehr harten, wirtschaftlichen Zwängen unterworfen. Doch ich warne: Kunst und Kultur müssen auch immer ein Stück weit vor Kommerzialisierung geschützt werden. Geld alleine darf nicht bestimmen, welches kulturelle Angebot auf den Veranstaltungsplänen steht. Und künstlerische Leistungen dürfen nicht nur anhand des wirtschaftlichen Erfolges gemessen werden. Hier gilt es immer wieder und ganz bewusst Reizpunkte zu setzen, Chancen zu geben, Plattformen zu bieten und Türen für Innovationen zu öffnen. Das Beste, das Spannendste, das ästhetisch ambitionierteste Theater im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel zu machen, das ist die große Herausforderung für uns Theaterchefs.

Musical-Zeitung.de: Was würden Sie an der aktuellen Theaterlandschaft persönlich gerne ändern und warum?

Michael Lang:
Es war sicher ein wichtiger Meilenstein, als die überholte Förderpraxis der Privattheater vor einigen Jahren überprüft wurde und Hamburgs Theater durch eine unabhängige Expertenkommission neu evaluiert wurde. Daraus resultierend wurde ein zukunftsweisendes Modell für die künftige Förderung von Privattheatern entwickelt und umgesetzt.
Außerdem ist es den Hamburgern Theatern gelungen, zwei große Gemeinschaftsprojekte auf den Weg zu bringen, die sich mittlerweile fest etabliert haben: Die Hamburger Theaternacht und den Rolf-Mares-Preis der Hamburger Theater. Man ist hierbei eng zusammengerückt und hat gemeinsame Wege bestritten, statt dass jeder nur für sich wurschtelt. Bei aller Unterschiedlichkeit, haben wir doch zahlreiche gemeinsame und verbindende Elemente (wieder-)entdecken können. Schade, dass insbesondere die Musicalbühnen der Stadt bisher nur halbherzig oder gar nicht mitgemacht haben. Da gibt es also noch Luft nach oben.

Schön wäre es natürlich auch, wenn noch mehr vermögende Menschen sich zur privaten Förderung von Kunst und Kultur bekennen würden. Das kann die staatliche Förderung sehr sinnvoll ergänzen und viele ungewöhnliche Projekte erst ermöglichen, die es ohne zusätzliche Finanzquellen gar nicht erst auf die Bühne schaffen würden. Mehr denn je wird private Kulturförderung eine wichtige Rolle einnehmen. Übertragen kann man das natürlich auch auf eine mögliche Förderung durch namhafte Firmen, da gibt es zahlreiche gute Beispiele in Hamburg, natürlich noch nicht genügend.

Im Sinne der vorhin beschriebenen Kritik an Preisdumping bei Theaterkarten, wünsche ich mir eine breite Allianz aller Theater gegen diese Art von Verschleuderung über Fremdanbieter. Auch wenn der Einzelne damit partiell seine Zuschauerzahlen verbessert, am Ende schaden wir uns damit alle selbst, und zwar gewaltig und nachhaltig. In Berlin hat man da schon bittere Erfahrungen sammeln müssen. Die Theater sollten gemeinsam beschließen, bei diesen Rabattschlachten nicht mitzumachen. Kollektiv und konsequent.

Musical-Zeitung.de: Vielen Dank für das nette Interview!

Stand: 05/2012