Jens Wawrczeck

Schauspieler

Musical-Zeitung.de: Seit 1978 sind Sie mit Ihrer Stimme eine feste Institution der Juniordetektiv-Hörspielserie schlechthin und verkörpern den zweiten Detektiv Peter Shaw. Damit sind Sie sozusagen mit der Figur aufgewachsen und begeistern mehrere Generationen treuer Hörspielfans. In wie weit Sind Sie nach Ihrer Meinung schuld am Hörspielkult?

Jens Wawrczeck: (lacht) Ich würde sagen: Ich bin nur geringfügig schuld, weil es eine Kombination aus glücklicher Fügung, richtigem Timing und klugem Marketing ist. Was die Drei Fragezeichen betrifft, denke ich, dass zwischen Oliver Rohrbeck, Andreas Fröhlich und mir die Chemie stimmt und wir deshalb eventuell authentischer „rüberkommen“ als andere Produkte. Aber wenn das Produkt nicht stimmig wäre, könnten wir noch so gut funktionieren und es wäre trotzdem kein Erfolg; das heißt, an dem Hörspielkult sind eigentlich die Hörer schuld, denn die bestimmen den Erfolg, die entscheiden, was Kult ist oder nicht.




 

Jens Wawrczeck Foto: Musical-Zeitung.de

Musical-Zeitung.de: Sie haben mittlerweile ein eigenes Hörbuchlabel (Audoba) und sind als Produzent tätig in eigener Regie. Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihren eigenen Hörbüchern gemacht? Was muss man erst lernen, wenn man mehr als nur Hörspielsprecher ist?

Jens Wawrczeck: Ich bin Produzent aus Leidenschaft und sehe mich nicht als Geschäftsmann. Die Produktionen, die ich selber veröffentliche, sind Herzensangelegenheiten, ich rette die von mir gelesene Literatur davor, vergessen zu werden. Zumindest hoffe ich das. Es gibt natürlich Menschen, die mich bei meiner Arbeit unterstützen und die zum Glück das geschäftliche Know How haben, was mir fehlt. Allerdings bin ich derjenige, der die künstlerischen Entscheidungen fällt. Das hat Vor – und Nachteile. Der Vorteil: Meine Veröffentlichungen sind garantiert persönlich. Der Nachteil: Mein Geschmack ist kein Erfolgsgarant.

Musical-Zeitung.de: Mit Ihrem eigenen Hörbuchverlag haben Sie sich eine Marktnische gesucht und möchten zeitlose Literatur vertonen, die sonst wahrscheinlich nur Sammlern vorbehalten bleiben würde. In wie weit muss detektivischen Spürsinn haben, wenn man Altes und Bekanntes neu entdecken und auflegen will?

Jens Wawrczeck: Ich schöpfe ja bisher aus der Literatur, die mich persönlich begeistert hat, schon vor zehn, zwanzig, dreißig Jahren. Mein Bücherregal steht immer voller Bücher, die mich ansehen und die darauf warten, bearbeitet zu werden. Bis ich damit fertig bin, werde ich 400 Jahre alt sein. Erst dann, wenn ich vor einem leeren Bücherregal stehe, brauche ich meinen detektivischen Spürsinn, um neue Kostbarkeiten zu finden. Ich wähle ganz subjektiv aus und das ist nicht immer besonders clever. Ich könnte es mir leichter machen, indem ich mich für populäre Stoffe entscheiden würde.
Aber warum? Übrigens: Das Besondere an der Edition Audoba ist nicht nur die Literatur, sondern auch der von mir dargebotene Bonus-Song, der eine Art musikalischer Kommentar zum jeweiligen Hörbuch ist. Als Sechsjähriger wollte ich Opernsänger werden und habe in Kinderchören gesungen. Während der Schauspielschulzeit in New York habe ich als Sänger in einem Jazz-Club in der Bleeckerstreet mein Geld verdient. Aber das ist lange her. (lacht) Jetzt darf ich mich auf meinen Hörbüchern gesanglich einbringen und das ist großartig. Ende des Jahres plane ich eine rein musikalische CD, die meine Vorliebe für Filmsongs zum Ausdruck bringen wird. Arbeitstitel: Lost Film-Songs.

Musical-Zeitung.de: Sie sitzen nicht nur in Tonstudios, sondern stehen immer wieder auch auf der Bühne als Schauspieler, zum Beispiel in „Vier Männer im Nebel“ in den Hamburger Kammerspielen. In wie weit ist es anstrengender oder auch entspannender, nicht nur mit der Stimme, sondern auch mit Gestik und Mimik zu arbeiten und unter fremder Regie?

Jens Wawrczeck: Grundsätzlich kann alles anstrengend werden, was zur Routine verkommt, wo ein vermeintliches Können, den Weg zum Entdecken versperrt. Ich reagiere allergisch auf Leute, die glauben zu wissen, „wie’s geht“.
Es gibt definitiv zwei Bereiche, die mich bisher noch nie gelangweilt haben: Das ist die Musik und das ist das Leben.

Musical-Zeitung.de: Sie haben Ihre Stimme auch schon lange für die Musik entdeckt und singen auch auf Ihren Hörbüchern. Im nächsten Jahr spielen Sie in Feuchtwangen in dem Musical „Der Mann von La Mancha“ den Knappen des vermeintlichen Ritters Don Quijote. In wie weit sind Sie mit Ihrer stimmlichen und schauspielerischen Begabung zusammengenommen nicht sogar beim Musical besser aufgehoben als beim konventionellen Theater und was reizt Sie speziell an „Der Mann von La Mancha“?

Jens Wawrczeck: Ich bin Fan der großen, klassischen Musicals, zu denen auch „Der Mann von La Mancha“ gehört. Ein gutes Musical ist die perfekte Kombination aus Story und Musik. In den Blockbuster-Musicals von heute sehe ich mich nicht. Leider wird dort oft die Psychologie der Figuren vernachlässigt, Emotionen werden behauptet und Vieles zielt auf blosse Wirkung. Aber ja, grundsätzlich ist mir die Verbindung von Sprache und Musik sehr vertraut und entspricht mir.

Musical-Zeitung.de: Als einer der drei Fragezeichen sind Sie es gewohnt, in Stadien vor Publikum aufzutreten. Was ist das für ein Gefühl, als Hörspielfigur das Publikum live zu begeistern und haben Sie eine Erklärung für die Faszination der „Drei Fragezeichen“?

Jens Wawrczeck: Eine Erklärung habe ich nicht. Der phänomenale Erfolg der „Drei Fragezeichen“ ist mir ein Rätsel und die Auftritte in Stadien oder auf der Berliner Waldbühne sind wie eine Begegnung der dritten Art, haben etwas Außerirdisches. Wir spüren diese Welle der Sympathie und Solidarität und sind völlig perplex, gerührt und dankbar.

Musical-Zeitung.de: Es heißt, Sie seien auf der ständigen Suche nach neuen Wegen sich auszudrücken. Kann man nicht auch sagen, dass Sie einfach nur den Kontakt zu einem Publikum suchen, das Ihre vielen Passionen mit Ihnen teilt?

Jens Wawrczeck: Ich denke, ich bin grundsätzlich auf der Suche nach Menschen, die meine Passionen mit mir teilen. Das muss nicht zwangsläufig ein Publikum sein, aber wenn sich auch dort eine Symbiose ergibt, ist das natürlich sehr schön.

Musical-Zeitung.de: Möchten Sie auch einmal ein Musical zu produzieren? Welches hätte die besten Chancen, in die engere Auswahl zu kommen?

Jens Wawrczeck: (lacht) Vielleicht „The Pajama Game“, ein wunderbar pointiert-geistreiches Musical über Gewerkschaftsstreitigkeiten in einer Pyamafabrik. Zündende Musik von Richard Adler und Jerry Ross.
Aber mein absoluter Favorit wäre wahrscheinlich „Finian’s Rainbow“- ein poetisches Musical aus den späten 40er Jahren mit traumhaften Songs von Burton Lane. Verfilmt wurde es 1968 von Francis Ford Copolla mit Fred Astaire und Petula Clark, es war Coppolas erster und Astaires letzter Film. Es geht um Rassendiskriminierung und irische Einwanderer, die in Amerika nach dem glücksbringenden Bucket full of Gold suchen. In einem der Songs, „Look to the rainbow“ (inzwischen längst durch unzählige Versionen ein Evergreen) heisst es: „Follow the fellow who follows his dreams“! Ein Motto, mit dem ich mich sehr identifizieren kann.

Mehr Infos zu Jens Wawrczeck unter: www.edition-audoba.de und www.jenswawrczeck.de

Stand: 03/2012